hier die ersten wichtigen Antworten auf die aktuellen Fragen im Original Wortlaut

Antworten zu den Fragen der Filmschaffenden (I) 20.3.2020

  1. Kurzarbeit – ist das ein gutes Modell, was haben Filmschaffende dabei zu beachten?

Das Modell der Corona-Kurzarbeit ist unseres Erachtens eine gute Möglichkeit, um AG und AN in dieser Ausnahmesituation zu entlasten. In der Corona- Kurzarbeitsregelung ist vorgesehen, dass die Arbeitszeit auf teilweise bis zu null Stunden reduziert werden kann, im Durchschnitt müssen während der Kurzarbeitsdauer 10% der bisherigen Arbeitszeit geleistet werden. AN erhalten während der Corona-Kurzarbeit 80-90% des vor der Corona-Kurzarbeit ausbezahlten Nettoentgelts als Kurzarbeitsbeihilfe durch das AMS. AG müssen nur das Gehalt für die tatsächliche Arbeitszeit bezahlen.

Vor Antritt der Corona-Kurzarbeit sollen AN in Anbetracht der betrieblichen Notwendigkeiten Urlaubsguthaben vergangener Urlaubsjahre („Alturlaub“) und Zeitguthaben zur Gänze konsumieren. Da der Abbau von Alturlaub und Zeitguthaben vom AG jedoch nicht einseitig angeordnet werden kann, hat der AG nur ein „ernstliches Bemühen“ und keinen bestimmten Erfolg nachzuweisen.

Der AG ist verpflichtet, während der Kurzarbeit bis einschließlich einen Monat nach Ende der Kurzarbeit den Beschäftigungsstand aufrecht zu erhalten. Der AG darf daher grundsätzlich keinen AN während dieser Zeit kündigen.

Die maximale Dauer der Corona-Kurzarbeit beträgt nach derzeitigem Stand sechs Monate (zunächst drei Monate plus eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate).

Die Corona-Kurzarbeit ist beim AMS zu beantragen. Hierfür ist neben dem AMS- Antragsformular eine vom AG und dem Betriebsrat (sofern kein Betriebsrat vorhanden ist von sämtlichen betroffenen AN) unterzeichnete Sozialpartnervereinbarung notwendig. Die Sozialpartner haben hierfür bereits Entwürfe online zur Verfügung gestellt

www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/arbeitszeit/Neues_Kurzarbeitsmodell.html

Die Sozialpartner haben zugesagt, diese Vereinbarung binnen 48 Stunden gegenzuzeichnen. Ein allfälliger Zusatz im Dienstvertrag ist nicht erforderlich. Auch die rückwirkende Beantragung von Corona-Kurzarbeit ist möglich!

AN müssen der Einführung der Corona-Kurzarbeit zustimmen. Einen Anspruch auf Corona-Kurzarbeit haben AN jedoch nicht

  1. Gilt die Arbeit in der Postproduktion (Sounddesign/Montage) als systemerhaltend und kann eine Firma daher Filmschaffende rechtens verpflichten, im Studio zu arbeiten?

Im Arbeitsrecht gibt es keine rechtliche Qualifikation oder etwaige Sonderregelungen für „systemerhaltende“ Berufsgruppen.

Die Regierung hat grundsätzlich festgehalten, dass AN, sofern möglich, von Zuhause aus arbeiten sollen („Homeoffice“). AG sind jedoch nicht verpflichtet, ihre AN, insbesondere, wenn dies gar nicht möglich wäre, ins Homeoffice zu schicken. In der heute, 19.3.2020 veröffentlichten Verordnung BGBl. II Nr. 107/2020 ist die Homeoffice-Pflicht geregelt, das soll aber wieder außer Kraft gesetzt werden.

Auf „Homeoffice“ gibt es daher keinen Anspruch. Daher kann ein AG Filmschaffende verpflichten, im Studio zu arbeiten, aber nur solange die Ansteckungsgefahr gebannt ist.

Ob ein AG seine AN verpflichten kann, an einem anderen Ort oder in einem anderen Aufgabengebiet zu arbeiten, hängt grundsätzlich davon ab, was im Dienstvertrag vereinbart worden ist und ob diese Änderung zumutbar ist. Dies wäre bei Filmschaffenden, die nun verpflichtet sind, in der Postproduktion im Studio zu arbeiten, wohl der Fall.

  1. Welche Möglichkeiten gibt es bei Verdienstausfall?

Der AG ist im Fall einer behördlich verhängten Quarantäne oder Dienstverhinderung weiterhin verpflichtet, das vereinbarte Entgelt auszubezahlen.

Der AG hat gemäß §32 Epidemiegesetz (EpidemieG) gegenüber dem Bund Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang (wozu auch das ausbezahlte Entgelt zu zählen ist), der entstanden ist, weil er seinen Betrieb aufgrund der behördlich angeordneten Präventivmaßnahmen einschränken oder sogar zusperren mussten, nicht jedoch bei freiwilliger bzw. präventiver Quarantäne aus

eigener Entscheidung des AN oder bei verordneten Betretungsbeschränkungen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz. Nach derzeitigem Stand entfällt die Entgeltzahlungspflicht des Dienstgebers bei Pandemien („höhere Gewalt“), das soll aber am Wochenende geändert werden.

Zudem hat der Nationalrat am 15.3.2020 das Bundesgesetz über die Einrichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) erlassen. Gemäß § 3 Abs 1 Z 5 des COVID-19-FondsG ist vorgesehen, dass finanzielle Mittel des Fonds auch für Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmeausfällen in Folge der Krise zu verwenden sind. Zur Abwicklung des COVID-19-FondsG hat der Finanzminister in einer zu erlassenden Verordnung die genaue Vorgehensweise festzulegen, jedoch ist diese Verordnung mit Stand heute noch nicht erlassen worden. Derzeit ist daher nicht absehbar, welche konkreten Einnahmenausfälle in Folge der Krise von diesen Richtlinien erfasst sein werden. Wir prüfen täglich, ob die Verordnung mittlerweile erlassen worden ist und werden uns umgehend nach deren Erlassung mit ihr beschäftigen, welche Einnahmenausfälle über finanzielle Mittel des Fonds abgegolten werden bzw. in welchem Umfang dies geschehen soll.

  1. Wie steht es um die Rechte bei mündlichen Vereinbarungen?

Im Arbeitsrecht gibt es keinen Formzwang. Dienstverträge oder diesbezügliche Vereinbarungen können schriftlich, mündlich oder schlüssig abgeschlossen werden. Für die abgeschlossenen Verträge/ Vereinbarungen gelten unabhängig von der abgeschlossenen Form dieselben gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen.

  1. Ist eine fristlose Kündigung gesetzeskonform?

Eine fristlose Kündigung gibt es nicht, eine Kündigung kann nur unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen erfolgen. Fristlos kann das Dienstverhältnis nur durch Entlassung durch den AG (oder durch vorzeitigen Austritt durch den AN) beendet werden. Hierfür bedarf es eines wichtigen vom Dienstnehmer (oder vom Dienstgeber) verschuldeten Grundes (diese sind beispielsweise in §§ 26, 27 AngG angeführt). Die Auswirkungen des Coronavirus stellen keinen derartigen wichtigen Grund, der zur Auflösung berechtigen würde, dar, da ein Entlassungs- bzw. Austrittsgrund im Verhalten des jeweils anderen Vertragspartners begründet sein muss.

Allerdings sieht der Kollektivvertrag für Filmberufe in § 13 unter der Überschrift “Auflösung des Arbeitsvertrags aus wichtigen Gründen“ vor: „Verhindert nach Drehbeginn ein vom Arbeitgeber nicht verschuldetes und nicht in seinem Bereich liegendes Ereignis die weitere Herstellung des Vertragswerks, so werden mangels anderer Vereinbarung die Arbeitsverträge aller Arbeitnehmer, die ihre vertragliche Leistung noch nicht vollständig erbracht haben, selbsttätig mit Wirkung ab Eintritt des Ereignisses aufgelöst. Dem Arbeitnehmer gebührt in diesem Falle das vertragliche Entgelt im Verhältnis zur erbrachten Leistung.“ Daher ist der Arbeitsvertrag darauf zu prüfen, ob sich darin davon abweichende Regelungen finden.

  1. Welche staatlichen Maßnahmen, um Härtefälle abzufedern, kann ich in Anspruch nehmen (exkl. Künstlersozialversicherungsfonds und SKE)?

Neben dem Modell der Corona-Kurzarbeit hat die Regierung das bereits unter Punkt 3. beschriebene COVID-19-FondsG beschlossen, um Einnahmeausfälle durch das Coronavirus abzufedern. Hierzu erlauben wir uns auf unsere Ausführungen unter Punkt 3. zu verweisen.

Des Weiteren hat die Regierung weitere Maßnahmen angekündigt, sodass sich die aktuelle Situation laufend ändern kann.

  1. Gelten Filmschaffende als „Schlüsselarbeitskräfte“?

Eine exakte Definition, wer als Schlüsselarbeitskraft gilt, gibt es grundsätzlich nicht. Das AMS führt beispielsweise an, dass folgende AN als Schlüsselkräfte anzusehen sind:

    • besonders hochqualifizierte AN
    • Fachkräfte in Mangelberufen
    • Studienabsolventen
    • Sonstige Schlüsselkräfte
    • Selbstständige Schlüsselkräfte

Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus sowie insbesondere aufgrund der teilweisen eingeschränkten Bewegungsfreiheit, hat die Regierung klargestellt, dass Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen keine Werksschließungen und Produktionsstopps für die Industrie bedeuten. Aus diesem Grund wird daher die „Bestätigung als Schlüsselkraft“ von der Wirtschaftskammer bereitgestellt, mit der Unternehmen sicherstellen können, dass die jeweiligen „Schlüsselkräfte“ weiterhin zur Arbeit kommen können.

Diese Bestätigung ist jedoch nur für die kritische Infrastruktur bzw. Daseinsvorsorge vorgesehen. Filmschaffende sind daher wohl nicht umfasst.

  1. Gibt es eine Wiedereinstellungsgarantie bei Abbruch der Dreharbeiten und aufrechtem Vertrag?

In § 13 des Kollektivvertrags für Filmberufe ist, wie schon in Punkt 5 angeführt, vorgesehen, dass der Dienstvertrag von AN, die ihre vereinbarte Leistung noch nicht vollständig erbracht haben, mit Eintritt eines vom AG unverschuldetes und ihm nicht zurechenbares Ereignis, automatisch aufgelöst wird, sofern die weitere Herstellung des Vertragswerks nicht mehr möglich ist. AN erhalten im Falle der Auflösung (nur) für ihre bereits erbrachten Leistungen ein aliquotes Entgelt.

Damit diese Vorschrift zu tragen kommt, muss es sich wohl um einen Fall der sogenannten „höheren Gewalt“ handeln. Höhere Gewalt liegt vor, wenn das vereinbarte Vertragswerk aufgrund eines von außen kommendem, unabwendbarem und unvorhersehbarem Ereignis unmöglich ist. Das auslösende Ereignis darf nach dem Wortlaut des § 13 weder vom AG verschuldet, noch in seine Sphäre fallen.

Dies deckt sich mit § 1155 ABGB, nach dem der Entgeltanspruch des DN entfällt, wenn ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, die nicht nur den einzelnen DG, sondern auch die Allgemeinheit betrifft, was beim Coronavirus wohl zu der Fall ist.

Schließlich muss gemäß § 13 des anzuwendenden Kollektivvertrags auch die weitere Herstellung des Vertragswerks verhindert werden.

Dies ist unseres Erachtens so auszulegen, dass die weitere Herstellung des Vertragswerks unmöglich sein muss. Trifft dies zu, werden die Dienstverträge automatisch aufgelöst. Sofern die Herstellung des Vertragswerks auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, liegt keine Unmöglichkeit vor.

Allerdings ist im Maßnahmenpaket der Regierung, dessen Beschluss für das Wochenende vorgesehen ist, eine Änderung dieser Regelung enthalten. Demnach werden Maßnahmen, die zum Verbot oder zur Beschränkung des Betretens von Betriebsstätten des Dienstgebers führen, der Seite des Dienstgebers zugeordnet. Daher gebührt in diesen Fällen auch weiterhin das vereinbarte Gehalt. AN müssen jedoch auf Verlangen des AG Zeitguthaben oder Urlaub konsumieren. Laufender Urlaub muss im Ausmaß von bis zu zwei Wochen konsumiert werden, insgesamt müssen nicht mehr als acht Wochen Urlaub konsumiert werden.

Eine automatische Wiedereinstellungsgarantie gibt es nicht, diese muss in jedem Fall gesondert vereinbart werden.

  1. Ist eine Umrechnung auf eine 40-Stundenwoche möglich?

Uns ist leider nicht ersichtlich, auf was diese Frage abzielen soll. Wir bitten Sie daher um Mitteilung, was mit einer Umrechnung auf eine 40-Stundenwoche gemeint ist. ( wird nachgeliefert, wenn das mit KV 7  geklärt ist )

  1. Muss der/die Arbeitgeber/in (AG) Pflegefreistellung gewähren, wenn wegen Schul/Kindergartenschließungen die Kinder zuhause betreut werden? Ab welchem Alter gelten Kinder als nicht mehr betreuungspflichtig?

Ob der AN von der Arbeit fernbleiben kann, wenn der Kindergarten oder die Schule des Kindes geschlossen wird, ist anhand der Pflegebedürftigkeit des Kindes zu beurteilen. So liegt ein Dienstverhinderungsgrund nur vor, wenn die Anwesenheit des AN zur Aufsicht des Kindes unbedingt erforderlich ist. Dies ist bei Kindern im Kindergarten- und Volksschulalter, im Regelfall bis zum 14. Lebensjahr eines Kindes wohl der Fall. Der AN hat in diesem Fall Anspruch auf Entgelt während der Dienstverhinderung. Ein genaues Alter, ab wann Kinder nicht mehr pflegebedürftig sind, gibt es nicht. Jedoch ist davon auszugehen, dass bei Teenagern die Anwesenheit des Elternteils wohl nicht mehr unbedingt erforderlich ist.

Eine Dienstverhinderung liegt nicht vor, wenn die Aufsicht von einer anderen geeigneten Person, also etwa den Großeltern, übernommen werden kann, was aber vom AG schwer nachzuweisen sein wird.

Ob die Möglichkeit der Sonderbetreuungszeit gemäß dem mit dem durch das COVID-19 Gesetz neu geschaffenen § 18b AVRAG besteht, muss im Einzelfall geprüft werden.

  1. Ist es rechtens, dass Arbeitnehmer_innen (AN), die Betreuungspflichten haben, selbst um Ersatz kümmern müssen?

Nein. Wenn der AN aufgrund seiner notwendigen Betreuungspflichten nicht zur Arbeit erscheinen kann, liegt ein Dienstverhinderungsgrund vor (siehe Punkt 10.). Der AN ist nicht verpflichtet, für die Dauer des gerechtfertigten Dienstverhinderungsgrundes eine Vertretung zu organisieren.

  1. Ist es zulässig, dass AG ankündigen, die im nächsten Jahr nachzuholenden Dreharbeiten in Höhe der heuer vereinbarten Gage durchführen (KV-Erhöhung).

Nein. Etwaige während der Unterbrechung der Dreharbeiten entstehenden kollektivvertragliche Erhöhungen wären bei Fortsetzung der Dreharbeiten zu berücksichtigen.

  1. Kann das Aufbrauchen von offenen Urlaubstagen zur Streckung der Anstellungszeit herangezogen werden?

Dies ist grundsätzlich möglich, jedoch kann der AG den Urlaubsverbrauch nicht einseitig anordnen. AN müssen dem Verbrauch von Urlaubstagen zustimmen.

  1. Ist eine mündliche Zusage für eine neuerliche Zusammenarbeit bindend?

Wie bereits unter Punkt 4. erwähnt, sind auch mündliche Vereinbarungen möglich und haben dieselbe Wirkung wie schriftlich abgeschlossene. Jedoch ist es ratsam, derartige Zusagen aus Beweisgründen schriftlich zu vereinbaren.

  1. Kann ich eine einvernehmliche Kündigung verweigern und auf Basis welcher Grundlage?

Eine einvernehmliche Auflösung des Dienstvertrages bedarf der Zustimmung des AN. Eine einseitige Anordnung durch den AG wäre unwirksam. Wenn die Zustimmung des AN unter Druck des AG erfolgt, ist die von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte „Drucktheorie“ zu beachten. Die „Drucktheorie“ geht davon aus, dass die abzuschließende Vereinbarung unwirksam ist, wenn der AN zu diesem Schritt unter Druck gesetzt wird und er de facto keine andere Wahl hatte, als zuzustimmen.