Der Dachverband weist nochmals nachdrücklich darauf hin, dass sie allein gestern über 600 Mails erhalten haben, und heute ging es den ganzen Tag so weiter. Sie  haben zahllose Fälle und ihre Korrespondenzen dokumentiert. Viele Produktionen geben sich große Mühe und gehen auch große Risiken ein, um das gut zu lösen. Ihnen sei gedankt. Eine Firma hat sogar bereits Mitte der Woche ein Kurzarbeitsmodell angeboten, als dies für Unternehmen in der Filmbranche rechtlich nicht zu 100% abgedeckt war. Das war mutig und beispielhaft. Durch die Vereinbarung der Sozialpartner von gestern ist dieses Risiko eliminiert. Umso ärgerlicher, dass von manchen Produzenten noch vor einer halben Stunde Falschinformationen an die Teammitglieder ausgesendet wurden, offenbar in der Absicht, sie einzuschüchtern. Da die Regelung bereits gestern verkündet und seit heute früh diskutiert wird, ist das besonders eifrige Drängen der Firmen, ihre Mitarbeiter loszuwerden, zu hinterfragen.

Das alles ist alles sehr unerfreulich, und wir hoffen, dass nun bald ein Bewusstsein für eine gemeinsame Lösung entsteht.

 

Folgendes Schreiben wurde heute Nachmittag an die Mitarbeiter einer großen Produktionsfirma ausgesandt:

Unter Bezugnahme auf unser Schreiben vom 18.3.2020, mit dem wir Ihnen/Dir

aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (irrtümlich gestützt auf § 45a
AMFG) zur Kenntnis gebracht haben, dass das Arbeitsverhältnis für die
Filmproduktion XXXXX nicht angetreten werden kann, dürfen wir ergänzend festhalten:

Gemäß § 13 des auf Ihr geplantes Arbeitsverhältnis anzuwendenden
Kollektivvertrags für Filmberufe werden die Arbeitsverträge aller
Arbeitnehmer, die ihre vertragliche Leistung noch nicht vollständig
erbracht haben, selbsttätig mit Wirkung ab Eintritt eines vom Arbeitgeber
nicht verschuldeten und nicht in seinem Bereich liegendem Ereignisses, das
die Herstellung des Vertragswerks verhindert, aufgelöst. Ein solches, die
Herstellung des Vertragswerks bis zum Ende Deines/Ihres noch nicht
angetretenen befristeten Vertrages verhinderndes Ereignis liegt durch die
Corona-Krise und die damit verbundenen behördlichen Einschränkungen des
öffentlichen Lebens zweifellos vor.

Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wird daher auch ausdrücklich auf
diese Rechtsgrundlage gestützt.

Gerne bieten wir Ihnen/Dir an, die beiliegende
Wiedereinstellungsvereinbarung mit uns abzuschließen. Diese steht freilich
unter der Bedingung, dass Sie/Du mit der Auflösung des Dienstverhältnisses
einverstanden bist/sind. Sollte dieses der Fall sein, dann ersuche ich den
Namen und Adresse in die Wiedereinstellungsvereinbarung einzusetzen und
diese unterschrieben, gescannt oder fotografiert an mich mit mail zu
schicken. Wir werden umgehend ein gegengezeichnetes Exemplar retournieren.

Nach Rücksprache mit unserem Anwalt RATEN WIR DRINGEND DAVON AB DAS ZU UNTERSCHREIBEN.  Es ist offensichtlich, dass die Arbeitnehmer mit diesem Schreiben massiv unter Druck gesetzt werden.

Für das Wochenende sind weitere weitreichende Beschlüsse der Bundesregierung geplant, die auf Euch dann nur mehr erschwert angewendet werden können, wenn ihr das VOR Inkrafttreten der neuen Verordnung unterschreibt. Wir hoffen, dass dieses Schreiben nicht unter diesem Aspekt erstellt wurde – das würde doch sehr unangenehme Fragen im Hinblick auf die zu erwartenden Hilfspakete aufwerfen… – die uns allen enormen Schaden zufügen würden.

In Kombination mit dem Schreiben von gestern, in dem eine »fristlose Kündigung« ausgesprochen wurde, hier die rechtlichen Grundlage, zusammengefasst:

  1.  Es gibt keine „fristlose“ Kündigung. Eine Beendigung mit sofortiger Wirkung kann nur in Form einer Entlassung durch den Dienstgeber oder eines vorzeitigen Austritts durch den Dienstnehmer erfolgen. Diese dürfen jedoch nur aus wichtigem Grund, der jeweils auf ein fehlerhaftes Verhalten der anderen Vertragspartei zurückzuführen ist, ausgesprochen werden. Für Angestellte sind die Entlassungs- bzw. Austrittsgründe in §§ 26,27 AngG, für Arbeiter in §82 GewO, geregelt.
  1. Da die „fristlose Kündigung“ gemäß dem Kündigungsschreiben der XX-Film nicht mit sofortiger Wirkung, daher nicht fristlos, zum Tag des Ausspruchs der Kündigung am 18.3.2020, sondern erst mit 27.3.2020, sohin unter Einhaltung einer Frist, erfolgen soll, ist die „fristlose Kündigung“ unseres Erachtens als Kündigung und nicht als Entlassung zu qualifizieren.

Eine Kündigung muss immer unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist erfolgen. Diese beträgt bei Angestellten sechs Wochen (erhöht sich aber je nach der Dauer des Dienstverhältnisses), bei Arbeitern zwei Wochen. Es liegt daher eine fristwidrige Kündigung vor. Zu den Rechtsfolgen verweisen wir auf Punkt 5.

Bei befristeten Dienstverträgen, auf die die XX-Film explizit in dem Kündigungsschreiben hinweist, ist eine Kündigung grundsätzlich nicht möglich. Eine Kündigung eines befristeten Dienstvertrags ist nur zulässig, wenn die Kündigungsmöglichkeit (die vereinbarte Kündigungsfrist muss jedoch den gesetzlichen Kündigungsfristen entsprechen) zuvor ausdrücklich vereinbart worden ist. Sofern die betroffenen Dienstnehmer einen befristeten Dienstvertrag haben, raten wir diesen unbedingt zu prüfen, ob eine Kündigungsvereinbarung getroffen worden ist.

ANMERKUNG: Wir wissen mittlerweile, dass die meisten DN noch gar keinen Vertrag erhalten haben – wie das in dieser Branche seit Jahrzehnten immer wieder gehandhabt wird. Daher wurde auch keine Kündigungsvereinbarung getroffen. 

  1. Auch die angeführte Begründung der Kündigung mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage bildet unseres Erachtens keine Rechtfertigung für eine Kündigung, da somit das wirtschaftliche Risiko der Unmöglichkeit der Leistungserbringung dem Dienstnehmer auferlegt werden würde.  Dienstnehmer behalten daher jedenfalls ihren Entgeltanspruch.

…Mit dieser Gesetzesänderung ist sohin festgehalten, dass die Gefahrtragung, sowie insbesondere das wirtschaftliche Risiko, im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Coronavirus jedenfalls dem Dienstgeber zuzurechnen sind. Der vorgebrachte Wegfall der Geschäftsgrundlage stellt daher keinen rechtmäßigen Grund einer Kündigung oder sonstigen Auflösung des Dienstverhältnis dar, da sonst das wirtschaftliche Risiko auf den Dienstnehmer umgewälzt werden würde.  

  1. Schließlich ist auch §13 des auf Ihre Branche anzuwendenden Kollektivvertrags zu beachten. Wie wir Ihnen bereits in unserer gestrigen E-Mail mitgeteilt haben, kommt dieser unseres Erachtens nur zur Anwendung, wenn die Herstellung des Vertragswerks unmöglich ist. Im Falle einer Unmöglichkeit werden die Dienstverträge automatisch aufgelöst. Kann die Herstellung des Vertragswerks jedoch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, liegt keine Unmöglichkeit vor. Die XX-Film weist in ihrem Kündigungsschreiben selbst daraufhin, dass eine Wiederbeschäftigung garantiert werde, sobald die Geschäftsgrundlage wiedergegeben sei und die Produktion des jeweiligen Filmwerks wieder möglich und finanziert sei. Dies ist unseres Erachtens ein Indiz dafür, dass die Herstellung des Vertragswerks zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein wird und daher keine Unmöglichkeit vorliegt.

Unseres Erachtens wäre  §13 des anzuwendenden Kollektivvertrags auch ohne die neue Regelung rechtswidrig. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass neben den im Gesetz angeführten Austritts- und Entlassungsgründen, sohin fristlose Beendigungsgründe, weitere vereinbart werden können, jedoch sind insbesondere derartige Vereinbarungen unwirksam, wonach die Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, allein dem Dienstgeber zukommen soll. Dies wäre gemäß §13 jedoch der Fall, da die Beurteilung, ob die Herstellung des Werks unmöglich ist, letztlich allein dem Dienstgeber obliegt.

  1. Trotz der fristwidrigen Kündigung wird das Arbeitsverhältnis trotzdem zum rechtswidrigen Zeitpunkt, sohin zum 27.3.2020, gelöst. Dienstnehmer haben jedoch Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Dienstnehmern steht jenes Entgelt zu, welches sie erhalten hätten, wenn sie unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt worden wären. Dies umfasst daher ihr Gehalt, das Überstundenentgelt, sowie alle sonstigen Zulagen, die die Dienstnehmer laut Ihrem Arbeitsverhältnis erhalten haben. Die Frist für die Geltendmachung der Kündigungsentschädigung beträgt sechs Monate ab Zugang der Kündigung. Ziel der Kündigungsanfechtung ist die Weiterbeschäftigung im Betrieb. Die Anfechtung muss binnen zwei Wochen ab Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden.
  1. Schließlich garantiert die XX-Film eine Wiederbeschäftigung. Es handelt sich sohin um eine verbindliche bedingte Wiedereinstellungszusage. Hält die XX-Film diese nicht ein, besteht auch in diesem Fall Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Die Wiedereinstellungszusage gilt auch unabhängig davon, ob die Kündigung fristwidrig ausgesprochen worden ist. Diese wäre so hoch wie das Entgelt, das die XX-Film für den Zeitraum zwischen der geplanten Wiedereinstellung und dem danach frühestmöglichen Kündigungstermin gezahlt hätte.
  2. Wir raten den betroffenen Dienstnehmern, sofern diese befristete Dienstverhältnisse haben, zunächst im Dienstvertrag zu prüfen, ob eine Kündigungsmöglichkeit im Dienstvertrag vorgesehen ist. Sollte dies der Fall sein, bzw. wenn ein unbefristetes Dienstverhältnis vorliegt, kann die Kündigung angefochten werden. Mit dieser wird eine Wiederbeschäftigung erwirkt. In Anbetracht der derzeitigen Situation und da es auch Gründe gibt, die für eine aus betrieblichen Gründen gerechtfertigte Kündigung sprechen, würden wir den Dienstnehmern statt der Kündigungsanfechtung zu einer Klage auf Zahlung der Kündigungsentschädigung raten. Zudem haben die betroffenen Dienstnehmer auch einen Anspruch auf Wiedereinstellung, sobald das betroffene Projekt fortgesetzt werden kann.

 

 

Sozialpartner Vereinbarung – Corona:

Hier der Link: https://www.aacamera.org/wp-content/uploads/2020/03/sozialpartnervereinbarung-corona-formular-einzelvereinbarun-19-03.pdf

Oder hier in Kurzversion: https://bit.ly/3a9Hxdd