Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleg_Innen!

Der Dachverband der Filmschaffenden warnt alle Kolleg_Innen eindringlich davor, Beschäftigungsverhältnisse abzuschließen und/oder einzugehen, welche innerhalb eines Kalendermonats unter der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von 438,051 (brutto, ohne Sonderzahlungen) Euro liegen!
Projektbezogene und damit befristete Arbeitsverträge, tage- und fallweise Beschäftigung sind branchenimmanente Charakteristika aller Filmberufe. Bis zu 90% aller Filmberufe sind durch den Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze in der Sozialversicherung nachhaltig schlechter gestellt, weil ihnen der Zugang zur Arbeitslosenversicherung und damit auch der Erwerb entsprechender Pensionsansprüche versperrt wird.
Die am 1.1.2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung belastet heute die Arbeitnehmer_innen in unserer Branche bereits schwer, ohne dass sie eine Erleichterung für die Arbeitgeber_innen bedeuten würde. Die Auswirkungen der Regelung für Arbeitnehmer_innen aus dem EU Ausland sind unklar.
Der Dachverband der Filmschaffenden hat in den letzten eineinhalb Jahren mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, dieser Entwicklung gegenzusteuern – leider ohne Erfolg.
Für den Moment bleibt uns daher nichts anderes übrig, als beiliegende Warnung auszusprechen und allen Betroffenen dringend zu empfehlen, bis zu einer Reparatur des Gesetzes geringfügige Dienstverhältnisse zu vermeiden bzw. abzulehnen. Davon können bis zu 90% aller Filmberufe bei tage- oder fallweiser Beschäftigung betroffen sein.
Die Diskussion um die Geringfügigkeit zeigt schmerzhaft auf, wie mangelhaft die Sozialversicherungsgesetzgebung für die gesamte österreichische Filmwirtschaft ist, und dass eine branchenspezifische SV – Lösung unumgänglich ist.
Mit kollegialen Grüßen,

Fabian Eder
Obmann des Dachverbandes der Österreichischen Filmschaffenden

Bei Dienstverhältnissen unter 438,05€ Tag/Woche/Monat laufen alle Arbeitnehmer_innen Gefahr, nicht mehr ausreichend und angemessen versichert zu sein, ohne dass sich Arbeitgeber dadurch etwas ersparen!
Betroffen sind bis zu 90% aller Film – Arbeitnehmer_innen


FALLE 1 – NACHFORDERUNGEN VON DER SV!

Wird durch mehrere geringfügige Dienstverhältnisse die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten, wird an den Arbeitnehmer bis zu 20 Monate nach Ende des Dienstverhältnisses eine Nachforderung der SV – Beiträge gestellt!
Wir raten daher allen geringfügig Beschäftigten

20% des Gehaltes für Nachforderungen der Sozialversicherung und 30% des Gehaltes für allfällige Nachforderungen des Finanzamts

beiseite zu legen!

FALLE 2 – KEINE ARBEITSLOSENVERSICHERUNG

Auch bei einer Nachzahlung der SV – Beiträge entsteht keine Arbeitslosenversicherung!

Jedes geringfügige Beschäftigungsverhältnis zählt nicht für die Anwartschaft beim AMS!

FALLE 3 – KEINE PENSION

Dadurch, dass diese Drehtage nicht für die Arbeitslosenversicherung zählen, wird es für Arbeitnehmer_innen schwieriger, den Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zu erreichen. Die Zeiten, in denen Arbeitnehmer_innen aber ALG oder Notstandshilfe beziehen, werden den Pensionszeiten zugerechnet.
Es kann daher zu einer

deutlichen Erschwernis, Pensionsanspruch zu erwerben

kommen.

FALLE 4 – KEINE KRANKENVERSICHERUNG

Im Zuge der geringfügigen Versicherung besteht ausschließlich eine Unfall-, aber keine Krankenversicherung. Sollte die monatliche Geringfügigkeitsgrenze durch mehrere geringfügige Dienstverhältnisse überschritten werden, wird der Krankenversicherungsschutz erst im Nachhinein durch die Nachzahlung der Beiträge erreicht. Das bedeutet, dass möglicherweise

keine Krankenversicherung besteht und medizinische Behandlungen von Arbeitnehmer_innen vorerst selbst bezahlt werden müssen!

FALLE 5 – FORMALVERSICHERUNG

Es besteht für Arbeitnehmer_innen die Möglichkeit, eine sog. Formalversicherung abzuschließen, wenn sie der Meinung sind, dass sie im kommenden Monat durch mehrere geringfügige Dienstverhältnisse die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird. Aber Achtung, die Formalversicherung

– zahlt der/die Arbeitnehmer_in im Voraus aus der eigenen Tasche
– beinhaltet keine Arbeitslosenversicherung
– generiert keinen Pensionsanspruch

FALLE 6 – DAS MONAT

Die Geringfügigkeitsgrenze bezieht sich immer auf das Kalendermonat!

Bei ordentlichen Dienstverhältnissen, die über die Monatsgrenze reichen, können daraus zwei geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden!

Beispiel: Dienstverhältnis Kameraassistent_in, 2 zusammenhängende Drehtage am 31.1. und 1.2. = Gage = 460,- Euro – in dem Fall: 230,- im Jänner, 230,- im Februar. Beide Tage sind geringfügig, daher besteht kein ausreichender Versicherungsschutz!

FALLE 7 – DIE BERECHNUNG

Achtung! Unser Sozialversicherungssystem ist unverhältnismäßig kompliziert!

Aus der Mindestgagentabelle des Kollektivvertrags ist nicht ersichtlich, ob die Gage geringfügig ist oder nicht!

Bitte achtet darauf!

Die Geringfügigkeitsgrenze wird vom Bruttogehalt des einzelnen Dienstverhältnisses OHNE Sonderzahlungen (SZ), aber MIT Urlaubsersatzleistungen (UEL) berechnet!

Das bedeutet Bruttogage + 10,48%!

FALLE 8 – SCHEINSELBSTSTÄNDIGKEIT

Umgehung geringfügiger Dienstverhältnisse durch

Werkverträge oder Scheinselbstständigkeit wälzen die Versicherungslast auf den/die Arbeitnehmer_in ab
und
bedeuten Rechtsunsicherheit und Risiko für den/die Arbeitgeber_in!

Arbeitnehmer, die sowohl angestellt als auch selbstständig erwerbstätig sind, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl sie Beiträge einzahlen


Erläuterungen:

Mit 1. Jänner 2017 wurde die tägliche Geringfügigkeitsgrenze mit Zustimmung aller damals im Parlament vertretenen Parteien abgeschafft. Wenig später stellte sich heraus, dass diese Maßnahme vollkommen unklare Auswirkungen auf die Sozialversicherung von tage- und fallweise Beschäftigten hat, insbesondere im Bereich der Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung. Tage- und fallweise Beschäftigung sind durchaus typische Dienstverhältnisse in der Filmbranche.

Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden hat mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die neu entstandene Situation für die Filmschaffenden zu verbessern. Bereits im Frühjahr 2017 haben wir in der Abteilung Film des Bundeskanzleramts Gespräche mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, dem Sozialministerium und der Gebietskrankenkasse geführt, die leider ergebnislos blieben.

Mit Hilfe der Nationalratsabgeordneten Birgit Schatz (G) wurde noch im Juni 2017 auf unser Betreiben ein Abänderungsantrag im Sozialausschuss des Parlaments eingebracht. Dieser scheiterte trotz intensiver Gespräche an den damaligen Regierungsparteien.

Nach mehreren Einzelgesprächen mit verschiedenen Institutionen haben wir im August 2017 einen Runden Tisch im Filmhaus organisiert, bei dem der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, das Sozialministerium, das AMS, Filmgeschäftsführer Stefan Zipfel und die Arbeiterkammer vertreten waren. Dabei stellte sich heraus, dass sich die genannten Institutionen bei der Interpretation des offensichtlich ungenau formulierten Gesetzestextes nicht einig waren.

Heute wissen wir, dass sich zumindest vorderhand die für uns nachteiligste Auslegung durchgesetzt hat. Diese Auslegung wird von der AK zwar dankenswerterweise nach wie vor bekämpft, nichts desto trotz kommt sie zur Zeit zur Anwendung.

Egal in welcher Konstellation eine oder mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines Monats zustande kommen, der Arbeitnehmer erwirbt durch seine Tätigkeit keine Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung, wodurch es zu massiven Einbußen im Arbeitslosenbezug, der Notstandshilfe und damit dem Pensionsanspruch kommen kann!

Vom Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze können bis zu 90 % aller im KV abgebildeten Berufsgruppen betroffen sein:

Regie, Regieassistenz, Produktionsleitung, Aufnahmeleitung, TV Producer, Filmgeschäftsführung, Produktionsassistenz, Continuity, Kameraassistenz 1+2, Schwenker, Kameramann im Verbund, Teamassistenz, Produktionskoordination, Postproduktionskoordination, DIT, Data Wrangler_innen, Schnitt, Schnittassistenz, Tonschnitt, Sounddesign, Außenrequisite, Innenrequisite, Kostümbild, Kostümassistenz, Garderobe, Maskenbild, Garderobe-, Maskenbild- und Requisitehilfe, Ton, Tonassistenz, Videotechnik, Primärtontechnik, Filmarchitektur (Szenenbild), Filmarchitektassistenz (Szenenbildassistenz), Bühnenmeister_innen, Oberbeleuchter_innen, Bühne, Licht, Produktionsfahrer_innen, Filmaushilfskraft.

Arbeitgeber_innen ersparen sich durch geringfügige Beschäftigungen nichts!

Sämtliche Angaben entsprechen unserem derzeitigem Erkenntnisstand, werden aber möglicherweise von den verschiedenen Institutionen unterschiedlich interpretiert und verstehen sich daher ohne Gewähr. In der Praxis ist die Geringfügigkeitsgrenze eine höchst undurchsichtige Regelung, vieles ist nur im Einzelfall und selbst unter Zuzug von SV-Experten nicht rechtsverbindlich abzuklären. Dadurch wird es

für Arbeitnehmer_innen unmöglich, ihr Nettogehalt und ihren tatsächlichen Versicherungsschutz selbst festzustellen!

Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden hält diese Situation sowohl für die Arbeitnehmer_innen als auch die Arbeitgeber_innen in der Filmbranche für unzumutbar und fordert

1.) EINE UMGEHENDE REPARATUR DES GESETZES
2.) EINE BRANCHENSPEZIFISCHE SOZIALVERSICHERUNGSLÖSUNG
Geringfügigkeit Warnung 6_11_18_Seite_6

Mindestgagentarife in EURO
wirksam ab 1.Jänner 2018