Die TV-Konzerne fahren Rekordgewinne ein – und drücken die Kosten bei der Produktion. Selbst viele erfolgreiche Kameramänner, Tontechniker und Schauspieler können kaum von ihrer Arbeit leben.

Verbitterung geht um in der Fernsehbranche. Nicht bei den großen Sendergruppen – ProSiebenSat.1 und zuletzt auch RTL fahren nach Medien-, Finanz- und Werbekrise wieder Rekordgewinne ein. Gejammert wird eher auf niedrigem Niveau – am unteren Ende der Branche.

„Der Frust wird immer größer“, sagt Stefan Nowak. Er ist freier Kameramann in Köln und hält sein Honorar seit weit mehr als zehn Jahren konstant. Nicht, weil er es sich leisten kann, sondern weil er es muss. Nowak dreht für Sendungen wie „Galileo“ und „W wie Wissen“, zu seinen Spezialitäten gehören Unterwasseraufnahmen. „Würde ich mein Honorar erhöhen und nur an die Inflation der vergangenen Jahre anpassen, dann hätte ich es schwer, weiterhin Aufträge zu bekommen“, sagt er. Der Preisdruck auf dem Markt der freien Fernsehschaffenden ist groß.

Das klassische Kamerateam – bestehend aus Kameramann, Tontechniker und Ausrüstung – wird heute mit 650 bis 750 Euro pro Tag bezahlt – inklusive aller Kosten und Abgaben. Dafür weigert sich Nowak zu arbeiten. Hundert Euro mehr müssten es schon sein. „Hätte ich nicht so gute Kontakte zu verständnisvollen Equipmentverleihern, könnte ich nur noch am Honorar sparen“, sagt er. Und irgendwann wird aus dem Beruf ein teures Hobby.

Beim Kostendruck bleibt den Produzenten momentan selten eine andere Wahl, als die enge Kalkulation der Sender an die freien Mitarbeiter weiterzugeben. Die Qualitätsanforderungen sinken jedoch nicht mit den Budgets. Oft werden für ein Minimalbudget Ergebnisse in Hochglanzqualität erwartet, sagt Nowak, der sich auch im Filmverband für bessere Bedingungen engagiert. Nach wie vor ist für die Sender meist der Herstellungspreis für ein Programm ausschlaggebend – und nicht der Wert. Die Sender sind bei der Auftragsvergabe deutlich im Vorteil, denn mit den ARD-Anstalten, dem ZDF und den beiden großen kommerziellen Gruppen ist der Markt auf der Nachfrageseite überschaubar. Die Preise für Drehteams, Autoren und Dienstleistungen sind weitgehend transparent und standardisiert. Das lässt den Anbietern in der Kalkulation wenig Raum für Gewinnspannen.

Am Existenzminimum

Erschwerend hinzu kommt der technische Fortschritt. So lassen sich heute auch schon mit kleinem Gerät und geringer Ausbildung zumindest sendefähige Bilder erstellen. Immer einfacher kann auf solide ausgebildetes Personal verzichtet werden. Wer keinen Job bekommt, für den scheint oft die Selbstständigkeit eine Alternative zu sein. Die kann sich aber schnell als Wettbewerb am Existenzminimum erweisen.

„Gegen Selbstausbeutung gibt es kein Gesetz – da muss jeder selber wissen, wie weit er sich in die Tasche lügen will“, sagt Stefan Nowak. Schließlich gilt der Markt an freien Autoren, Kameraleuten, Mediengestaltern und kleinen Produktionsfirmen als gesättigt. „Die großen Wachstumsphasen der Branche sind vorerst vorbei. Es werden momentan zu viele Absolventen mit unklarer Perspektive in den Markt entlassen“, sagt auch Jörg Graf, Bereichsleiter Produktion der Mediengruppe RTL Deutschland.

Gespart wird nicht nur hinter der Kamera. Auch beim prominenten Personal wird die Kostenschraube immer weiter angezogen. „Man kann sich heute schon als erfolgreich bezeichnen, wenn man als Fernsehschauspieler auf ein Jahreseinkommen von 20.000 Euro und halbwegs passable Rentenansprüche kommt“, sagt Heinrich Schafmeister, („Wilsberg“). Er setzt sich im Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler für bessere Bedingungen für sich und seine Kollegen ein. Auch hier zeigt die Budgetkurve nach unten: Erst wurde die Zahl der Filme und Serien über die Jahre immer kleiner, dann gingen die Gagen pro Drehtag nach unten. Mittlerweile werden auch die Drehtage pro Film zusammengestrichen. Allein seit der Finanzkrise im Herbst 2008 seien so die Einkommen der Schauspieler um rund die Hälfte gesunken, erklärt Schafmeister.

Hinzu kommt, dass die Abrechnung der in der Regel angestellten Schauspieler auf der Grundlage des Drehtages erfolgt. „Die Bezeichnung ‚Drehtag‘ ist irreführend“, sagt Heinrich Schafmeister. „Oft steckt für den Schauspieler hinter einem Drehtag mit der Vorbereitung eine Woche und mehr.“ Für viele Kollegen kann es da schon mal schwer werden, die Mindestgrenze an sozialversicherungsrelevanten Arbeitstagen zu überschreiten. Das ist zum Beispiel wichtig, um Rentenansprüche zu sammeln. Schon mit 40 Drehtagen pro Jahr gehöre man zur ersten Riege, sagt Heinrich Schafmeister und spricht der gesamten Branche aus der Seele: „Wir haben bei Film und Fernsehen die schönsten Berufe der Welt – aber die kann man keinem weiter empfehlen.“

Jochen Voss 

Frankfurter Rundschau 28.3.2011