Stellungnahme der Sektion Film, Foto, AV- Kommunikation der Gewerkschaft younion zur geplanten Evaluierung der RTR- Förderrichtlinien (Fernsehfonds Austria) für Film- und Fernsehproduktionen

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1. Grundsätzliche Einschätzung

Die Sektion Film, Foto, AV-Kommunikation der Gewerkschaft younion begrüßt das Anliegen der RTR, Qualität, Beschäftigungsquote und Wertschöpfung der österreichischen Film- und Fernsehbranche zu stärken. In der vorliegenden Evaluierung sehen wir dieses Anliegen in vielen Punkten gestärkt. Positiv hervorzuheben sind insbesondere:

die Beibehaltung der Frauenförderung,

die neue Ausgestaltung des Exzellenzbonus, deren Umschichtung kleineren Produktionsfirmen zugutekommen könnte,

sowie die Ausformulierung des Passus 3.3 (Qualität und Wirtschaftlichkeit), denn qualitative Wirtschaftlichkeit setzt insbesondere voraus, dass faire Löhne und Honorare kalkuliert werden.

Zwei zentrale Anliegen der Sektion Film, Foto, AV-Kommunikation der younion sind:

faire Bezahlung und

eine höhere Durchlässigkeit des Pool der Produktionsfirmen.

Vor diesem Hintergrund möchten wir die vorliegende Evaluierung kommentieren und auf wichtige Zusammenhänge aus der Sicht der Beschäftigen hinweisen:

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2. Stellung der Produzent:innen im Branchengefüge

Die derzeitige Arbeits- und Förderpraxis zeigt, dass die großen, etablierten Produktionsunternehmen die verhandlungsmächtigste Gruppe der Branche sind. Ihre wirtschaftliche Stärke und institutionelle Vernetzung führen zu einer asymmetrischenVerhandlungslage, in der die Interessen von Beschäftigten, EPUs und kleineren Produktionsfirmen nur unzureichend berücksichtigt werden.

Zudem treten große Produktionsunternehmen häufig als Sprachrohr der gesamten Branche auf, obwohl ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Interessen nicht repräsentativ sind.

Diese quasi-kartellartige Konzentration hemmt nicht nur den kreativen Wettbewerb und die programmatische Vielfalt, sondern schwächt auch die Verhandlungsmacht der Beschäftigten.

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3. 1200€ Mindestkosten pro Sendeminute

Wir wollen eingangs festhalten:

Aktuell zahlt kein Sender Mindestsummen pro Sendeminute. In vielen europäischen Ländern (vor allem bei öffentlich-rechtlichen Sendern) sind jedoch Mindesthonorarkataloge, nach Formaten gestaffelt, üblich. Das ist eine bewusste Entscheidung: Die Mindesthonorare für Produktionen sichern sowohl Qualität als auch die programmatische Vielfalt. Wir würden es daher begrüßen, wenn die Anwendung solcher Kataloge künftig Voraussetzung für die Beteiligung an RTR-geförderten Projekten wäre.

Die vorgesehene Anhebung der förderbaren Produktionskosten auf 1.200 € pro Sendeminute bedeutet jedoch eine erhebliche Kalkulationssteigerung für geförderte Produktionen.

Im fiktionalen Bereich liegen 1.200 € pro Sendeminute deutlich unter den realen Kosten. Für viele TV-Produktionen ist diese Untergrenze jedoch hoch angesetzt. Nicht jede förderwürdige, innovative Produktion kostet 1.200€/Sendeminute und kann dennoch wirtschaftlich nachhaltig sein.

Eine so hoch angesetzte Untergrenze kann zu einer tendenziellen Benachteiligung kleinerer und mittlerer Produktionsfirmen führen, da hohe Fördersummen eher großen Produktionsfirmen zufallen.

Und: Dadurch wird das Gesamtbudget der RTR auf eine geringere Anzahl an Projekten/Produktionsfirmen verteilt.

Und das führt zu einer impliziten Marktbereinigung, die die Diversität der österreichischen Filmproduktion reduziert.

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4. Lohndumping und Ausbeutung dürfen nicht gefördert werden

In den letzten Jahren häufen sich Berichte von Beschäftigen in der Branche die nicht fair bezahlt und behandelt werden. Häufig werden etwa:

Überstunden nicht abgerechnet, illegale Arbeitszeiten über dem gesetzlichen Maximum

falsche Kollektivlöhne angewendet,

tatsächliche Arbeitszeit als „Bereitschaftszeit“ deklariert und schlechter oder gar nicht abgegolten.

Wer sich beschwert, läuft Gefahr nicht mehr beschäftigt zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Jobs von etablierten Produktionsfirmen vergeben werden können, die untereinander und institutionell gut vernetzt sind und die Branche auf Mundpropaganda setzt.

Ein weiteres strukturelles Problem stellt der massive Anstieg an Beschäftigung von Einpersonenunternehmen (EPU) dar.
Viele etablierte Produktionsfirmen im Fernsehbereich haben kaum Angestellte und lagern die Produktion vollständig an Subfirmen und EPUs aus, vor allem im Dokumentarbereich. Diese erhalten Honorare, die weit unter den empfohlenen Honorarkatalogen liegen und müssen häufig auch noch ihr eigenes Equipment mitbringen – ein zusätzlicher Vorteil für die Produktionsfirmen, die so Kosten für Technik sparen.

Wie die EU-Kommission 2022 festgestellt hat, handelt es sich bei solchen EPUs um verhandlungsschwache Selbstständige, die systematisch benachteiligt werden.*

Andere Produktionsfirmen beschäftigen zwar 10– 60 Mitarbeiter:innen, doch diese Beschäftigungszahlen schwanken stark von Jahr zu Jahr und von Projekt zu Projekt.

„Hire und fire“ ist daher für Beschäftigte Alltag in der Filmbranche.
Wir hören auch immer wieder, dass gegenüber den Förderstellen angegeben wird, dass angestellte Mitarbeiter:innen an dem eingereichten Projekt arbeiten – sie in Wahrheit aber für andere Aufträge eingesetzt werden. Das geförderte Projekt wird stattdessen zu einem großen Anteil von freien Mitarbeiter:innen, Subfirmen oder EPUs bewerkstelligt – die deutlich schlechter bezahlt werden, als in der Kalkulation vorgesehen.

Obwohl viele Produzent:innen generell darüber klagen, dass die Auftragslage schwierig sei, erzielt ein Großteil von ihnen jährliche Bilanzgewinne in sechs- bis siebenstelliger Höhe und erhält regelmäßig hohe Förderbeträge.

Wirkliche Überprüfungen vom Arbeitsvertrag bis zur Arbeit am Filmset fehlt zur Gänze!
Die Verteilung der Mittel sollte daher entlang der gesamten Wertschöpfungskette – bis hin zu den Filmschaffenden, Techniker:innen und freien Mitarbeiter:innen – sorgfältig geprüft werden.

Und das sollte, wie mir meinen, für alle österreichischen Film und TV-Förderungen gelten.

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5. Erhöhung des zulässigen Produzent:innengewinns

Die Drehzeiten werden immer kürzer und dadurch müssen Beschäftigte unter höherem Druck und bei geringerer Gesamtbezahlung immer mehr leisten.
Während früher für ein Format wie „Tatort“ etwa sechs Wochen gedreht wurde, sind es heute oft nur vier Wochen. Das führt zu ungesetzlichen Arbeitszeiten für Beschäftigte, da das Tagespensum steigt und nicht im gesetzlichen Rahmen bewältigt werden kann.

Die Anhebung des maximal zulässigen Produzent:innengewinns von 7,5 % auf 10 % sollte daher an längere Drehzeiträume geknüpft werden.

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6. Konkrete Handlungsvorschläge

Um faire Arbeitsbedingungen und mehr Vielfalt in der Branche zu sichern, schlägt die Sektion Film, Foto, AV-Kommunikation der Gewerkschaft younion vor, folgende Maßnahmen in Zukunft als Voraussetzung für eine Förderung festzulegen:

1. Öffnung der Förderung für einen breiteren, diversen Pool von Produktionsfirmen –

etwa durch

quotierte Förderung kleinerer Projekte und

flexiblere Budgetuntergrenzen.

2. Verstärkte Kontrolle der Fördernehmer, insbesondere durch:

verpflichtende Arbeitszeitaufzeichnungen,

Kontrolle dieser Aufzeichnungen durch zwei Vertrauenspersonen/TeamsprecherInnen pro Team, die aus dem Kreis der Beschäftigten gewählt werden und die NICHT dem Arbeitgeber-Umfeld angehören (wie derzeit leider meist üblich)

Einhaltung und Überprüfung der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber

Prüfung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse (Anstellungen statt Schein-Selbstständigkeit) und der Arbeitsverträge

Verpflichtung zur Zahlung von empfohlenen Mindesthonoraren an EPUs,

Nennung einer EPU-Ombudsperson in jeder Produktionsfirma, an die sich EPUs wenden können, wenn es ungeklärte Fragen oder Probleme gibt.

3. Transparente Offenlegung von Geschäftsführungsbezügen, Auszahlungen an stille Teilhaber:innen und Personalkostenrelationen, um Überförderung oder ungerechtfertigte Gewinnabschöpfung zu vermeiden.

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* Quelle: EU-Kommission, Guidelines on applying EU competition law to collective agreements

regarding the working conditions of solo self-employed persons (2022)